Auslöser und Anlass der Beratung

Ein Dienstleister im Bereich Arbeitsförderung und Weiterbildung, der einem großen Wohlfahrtsverband angehört, hatte bereits vor einigen Jahren eine Organisationsberatung bei uns in Anspruch genommen. Dabei wurde eine neue Führungsstruktur eingeführt, die es ermöglichen sollte, dass Führungskräfte einen direkteren Kontakt zu ihren Mitarbeitenden haben und die zentrale Leitung entlastet wird. Diese kleinteiligere Organisationsstruktur sollte auch dazu beitragen, die Entwicklung neuer Leistungsbereiche und die Akquisition für neue Aufträge auf mehrere Schultern zu verteilen und dadurch rascher neue Angebote zu entwickeln.

Die Anfrage nach einer neuen Organisationsberatung ausgelöst hat das Interesse der Geschäftsleitung, die Zufriedenheit mit der neu eingeführten Leitungsstruktur zu überprüfen und insbesondere Anhaltspunkte dafür zu finden, wie mehr Mitarbeitende so gefördert werden können, dass sie verantwortlichere Aufgabenbereiche übernehmen und zukünftig an Führungsaufgaben herangeführt werden können.

Vorgehen

In einem Vorgespräch mit der Geschäftsleitung wurden Ziele, Vorgehensschritte und Beteiligte für die Potenzialberatung vereinbart. Auf der Basis dieses Vorgesprächs entwickelten wir einen Vorgehensvorschlag und Angebot, auf dessen Grundlage die Organisation mit der örtlichen Wirtschaftsförderung die Beantragung einer Potenzialberatung beraten hat.

Nach Bewilligung der Potenzialberatung und der genaueren Planung mit der Geschäftsleitung wurde zunächst der Betriebsrat ausführlich über das geplante Vorgehen unter Beteiligung des Beraters informiert. Die Bereichsleiter informierten anschließend  alle Mitarbeitenden in ihren Teamsitzungen und luden diese zur Mitwirkung ein.

Die Durchführung der Mitarbeiterbefragung erfolgte im Wesentlichen in Form einer Online-Befragung, bei der ein durch die Organisation bereits mehrfach erprobtes Frageschema wieder eingesetzt wurde, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu ermöglichen. Die Auswertung der Befragung hat Move durchgeführt.

Ergänzend und parallel zu der Mitarbeiterbefragung haben wir Experteninterviews mit Mitarbeitenden der Organisation durchgeführt. Dabei sind wir insbesondere den Fragen nachgegangen, wie der Nutzen der bisherigen Mitarbeitergespräche eingeschätzt wird, welche fördernden Bedingungen für die Übernahme von verantwortlichen Positionen gewünscht werden und welche Hemmnisse dem entgegen stehen. Ergebnisse der Befragung und der Interviews wurden anschließend einem Lenkungskreis vorgestellt, an dem die Geschäftsleitung, weitere Mitarbeitende, befragte Mitarbeiter und weitere ausgewählte Mitarbeitende teilnahmen.

Interessant bei der Mitarbeiterbefragung und den ergänzenden Interviews war, dass sich tatsächlich aufgrund der vor einigen Jahren durchgeführten veränderten Leitungsstruktur die Zufriedenheit der Mitarbeitenden mit ihren Leitungspersonen erheblich verbessert hat. Auch haben Mitarbeitende positiv angemerkt, dass Mitarbeitergespräche in der Regel (zu 80 %) in dem geplanten Umfang durchgeführt werden. Deutlich wurde aber auch, dass die Mitarbeitenden selbst zu wenig Nutzen aus den Ergebnissen dieser Mitarbeitergespräche verspüren. Stärken und Entwicklungspotenziale der Mitarbeitenden werden nicht erkannt, es findet keine erkennbar systematische Förderung und Entwicklung der Kompetenzen der Mitarbeitenden statt.

Auf der Basis dieser Erkenntnisse wurde deshalb vereinbart, das System der Mitarbeitergespräche so zu optimieren, dass Ergebnisse daraus transparent und verbindlich festgehalten werden und in einer für die gesamte Organisation nutzbaren Form dokumentiert werden. Dazu gehörte auch, Führungskräfte in der Durchführung der Mitarbeitergespräche zu schulen und einfach nutzbare Instrumente (Leitfäden und Dokumentationen) zu entwickeln. (Weitere Themen, die sich aus den Befragungen ergaben und in der Potenzialberatung im Folgenden bearbeitet wurden, waren die Überprüfung und Weiterentwicklung der Besprechungskultur und die Entwicklung von Formen informeller Kommunikation. Diese Ansätze sollen insgesamt zu einer größeren Identifikation mit der Organisation und einer verbesserten Transparenz über Vorgänge innerhalb der Organisation bei den Mitarbeitenden beitragen.)

Ausgangspunkt der Optimierung des Systems der Mitarbeitergespräche und der systematischen Förderung zukünftiger Führungskräfte war zunächst ein Workshop, in dem ein einfaches System ressourcenorientierter Mitarbeiterführung vorgestellt und beispielhaft in Rollenspielen erprobt wurde. Dieses Konzept stützt sich auf das Modell „Triple A“, in dem unter den Stichworten „Aufmerksamkeit-Anerkennung-Anregung“ Stärken und Entwicklungspotenziale der Mitarbeitenden im Alltag wertschätzend wahrgenommen, in die Kommunikation gebracht und zur Grundlage einer anregenden und entwickelnden Mitarbeiterförderung genommen werden. In diesem mehrtägigen Workshop stellten wir einen Leitfaden zur Bewertung von Mitarbeitendenkompetenzen vor: Anschließend haben wir die Rückmeldungen dazu aufgenommen, den Leitfaden weiter entwickelt  und auf Wunsch der beteiligten Leitungskräfte operationalisiert. Vereinbart wurde, mit diesem neuen Instrument zunächst probeweise Mitarbeitergespräche durchzuführen.

Nach einer Erprobungsphase, in der jede Leitungskraft auf Basis des neuen Leitfadens mindestens ein Mitarbeitergespräch durchgeführt hatte, wurden Erfahrungen in der Anwendung dieses Instrumentes in einem weiteren Workshop ausgewertet. Dabei stellte sich heraus, dass der differenzierte Leitfaden zu kleinteilig war, nicht zu allen gefragten Kompetenzbereichen tatsächlich aussagekräftige Bewertungen vorgenommen werden konnten und die Anwendung dadurch auch zu schematisch erschien.

Als weiteres Problem stellte sich heraus, dass der Betriebsrat dieses Instrument im Wesentlichen unter dem Aspekt der Beurteilung von Mitarbeitenden ansah und die Mitarbeitenden vor möglichen „negativen“ Beurteilungen schützen wollte. Die Bewertung der Kompetenzen der Mitarbeitenden sollte aus seiner Sicht deshalb nicht innerhalb der Organisation genutzt werden.

Der Leitfaden wurde aus diesem Grund erheblich vereinfacht und als Möglichkeit der Gesprächsvorbereitung für die Führungskraft und für die Mitarbeitenden als Arbeitshilfe eingeführt. Um der Befürchtung des Betriebsrates gerecht zu werden, dass eine differenzierte Beurteilung der Mitarbeitenden in die Personalakte Eingang findet, wurde vereinbart, dass Themen und Gegenstände, die zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden besprochen werden, sowie die Selbst- und Außenwahrnehmung der Kompetenzen der Mitarbeitenden nur in einer Form dokumentiert werden, die bei der Führungskraft und dem Mitarbeitenden verbleibt. Um eine systematische Förderung von Mitarbeitenden in der Organisation zu ermöglichen, sollten Ergebnisse und vereinbarte Entwicklungsziele aus den Gesprächen, wenn die Mitarbeitenden damit einverstanden sind, in einem standardisierten Dokument „Entwicklungsplanung“ dokumentiert werden.

Insgesamt gab es zum Thema Mitarbeiterentwicklung die Vereinbarungen:

  • Alle Mitarbeitenden haben die Möglichkeit, jährlich eine Rückmeldung durch ihre Leitungskraft zu erhalten, die sich auf ihre wahrgenommenen Stärken und Entwicklungspotenziale bezieht, und sich mit der Führungskraft in einem geschützten Rahmen auch über die Zusammenarbeit mit und Unterstützung durch die Führungskraft auszutauschen. Zur Vorbereitung nutzen beide Seiten einen Leitfaden, in dem zu ausgewählten Kompetenzbereichen eine Bewertung aufgrund beobachteter Leistungen und Verhalten in der Arbeit vorgenommen wird.
  • In den Gesprächen werden anschließend aufgabenbezogene Ziele vereinbart sowie Ziele für die weitere berufliche Entwicklung im Unternehmen.
  • Die Dokumentation der Rückmeldung und der aufgabenbezogenen Zielvereinbarung verbleibt bei der Führungskraft und der Mitarbeiterin.
  • Die Dokumentation der persönlichen und beruflichen Entwicklungsziele kann, wenn die Mitarbeiterin damit einverstanden ist, innerhalb der Leitungskräfte des Unternehmens genutzt werden, um eine systematische Weiterentwicklung und Förderung im gesamten Unternehmen zu ermöglichen.
  • Geschäftsleitung, Personalabteilung und Abteilungsleitung tauschen sich monatlich über die Ergebnisse dieser Gespräche aus, vereinbaren Entwicklungsmaßnahmen und bewerten Ergebnisse dieser Entwicklungsplanung.

Erfolgsfaktoren

In einer gemeinsamen Auswertung wurden als hilfreich für die Entwicklung dieses einfachen Systems der Personalentwicklung gesehen:

  • Alle Führungskräfte – Geschäftsleitung, Abteilungsleitungen und potenzielle Führungskräfte – haben sich in einer gemeinsamen Schulung auf ein Grundverständnis von Führung verständigt: Führung benötigt konkrete, beschreibbare Wahrnehmung des Handelns ihrer Mitarbeitenden, um anschlussfähige Rückmeldungen zu geben, Stärken anzuerkennen und Anregungen für weitere Entwicklungsschritte zu geben.
  • Hilfreich für die Rückmeldung ist ein Leitfaden, in dem zu einzelnen Kompetenzbereichen Beobachtungen und Wahrnehmungen geordnet und bewertet werden können. Dieser Leitfaden darf jedoch nicht schematisch eingesetzt werden, nicht zu allen Kriterien können und sollten Aussagen gemacht werden. Ein offener Austausch über wahrgenommene Arbeitsleistungen steht im Vordergrund.
  • Die Mitarbeitergespräche sollen Auswirkungen haben: Die Organisation braucht eine Dokumentation von Entwicklungswünschen und –bedarfen, um eine systematische Förderung – auch und gerade potenzieller zukünftiger Führungskräfte – zu ermöglichen. Mitarbeitende wünschen verbindliche Verabredungen über Entwicklungsmöglichkeiten in der Organisation.
  • Die Erprobung der Instrumente und die Rückkopplung der vereinbarten Vorgehensweise und Dokumentationen mit Mitarbeitenden und Betriebsrat hat eine erhebliche Vereinfachung des Verfahrens bewirkt und dazu beigetragen, ein einfacher anwendbares Instrument einzusetzen, das akzeptiert wird.

Entscheidend für die Akzeptanz eines veränderten Personalentwicklungsmodells war, dass Leitung sich auf einen von den Mitarbeitenden erfragten Bedarf nach wirksamerer Förderung beziehen konnte und konsequent und glaubwürdig eine Einführung dieses Modells voran getrieben hat.

(Informationen zur Förderung eine Potenzialberatung in NRW finden Sie auf der Website des Arbeitsministeriums NRW „Arbeitspolitik in NRW„. Wir helfen aber auch gerne bei Fragen zur Nutzung der Potenzialberatung.)

Johannes Massolle