„InfoTeam 2.0“

Mindestens drei Unternehmen, die wir aktuell bei ihrer Organisationsentwicklung unterstützen, haben auf der Ebene der Leitungen die Wahrnehmung, dass „dass Wir“, der Zusammenhalt und das Interesse aneinander in der Belegschaft seit 2020 abgenommen hat. Die drei Unternehmen haben 30, 40 bzw. 100 Beschäftigte, sind in den letzten Jahren gewachsen und haben eine relativ personenorientierte Kultur: Man duzt sich, individuelle Wünsche von Mitarbeitenden bezüglich Stellenanteilen, Arbeitszeit und Home Office werden möglichst berücksichtigt und es gab in der Vergangenheit, vor Corona, gut besuchte Sommerfeste bzw. Weihnachtsfeiern („Die Chefs kochen für die Belegschaft!“). Es kannten alle alle.

Das ist seit 2020 anders. Neue hinzugekommene Mitarbeitende kennen maximal die Mitglieder ihres Teams, in 2022 dazugekommene haben zum Teil noch nicht alle Mitglieder zur gleichen Zeit persönlich getroffen. Life-/analoge Treffen aller finden nur noch selten statt.

Für Leitungen bedeutet das, dass ihre eingeübten Beobachtungs- und Deutungsmuster bezüglich „der Stimmung, der Atmosphäre“ gefühlt nichts mehr zu sicheren Ergebnissen führen. Kritische Einzelbeobachtungen oder Ereignisse gewinnen dann relativ an Bedeutung.

Das Unternehmen mit den 100 Beschäftigten ist seit 1986 im Bereich Sozialwirtschaft & Qualifizierung tätig und wird seitdem von einer Doppelspitze in verschiedenen Konstellationen geführt. Bei einer Leitungsklausur im Frühjahr 2022 wurde seitens der Doppelspitze und den sechs Abteilungsleiter*innen festgestellt, dass die (eigene!) Stimmung angespannt sei, auch wegen nicht besetzter Stellen und Krankheit.  Zudem seien manche der in den letzten zwei Jahren neu hinzugekommenen 15 Mitarbeitenden im Betrieb nicht bekannt bzw. würden „den Betrieb“ nicht ausreichend kennen. Auch durchaus bekannte „Animositäten“ zwischen Abteilungen hätten zugenommen. Die Runde fasste den Entschluss, eine alle drei Monate stattfindende Informationsveranstaltung der Doppelspitze zu überarbeiten: das „InfoTeam 2.0“. Ziele des neuen Angebotes sind:

  • Mitarbeitende lernen sich persönlich kennen, entdecken bislang unbekannte Ressourcen und entwickeln vielleicht sogar Sympathie.
  • Durch Gesprächsanlässe, die nicht aufgabenorientiert sind, entdecken sie Gemeinsamkeiten und schaffen (neue) Anknüpfungspunkte.
  • Es gibt witzige, nette, erkenntnisreiche gemeinsame Erlebnisse – die im Betrieb erzählt und zur „gemeinsamen Geschichte“ werden.
  • Mitarbeitende lernen andere Abteilungen und ihre Arbeitsumgebung besser kennen.

Als Rahmenbedingungen wurde festgelegt, dass die Veranstaltung maximal 2 Stunden dauern soll („die Geschäftsführung informiert“ dauerte bisher ca. 1 Stunde), die Teilnahme freiwillig ist, Leitungskräfte „sehr motiviert sein sollen“ daran teilzunehmen und nach der Veranstaltung idealerweise Ergebnisse in Form von Videos, Bildern oder Statements in das Intranet gestellt werden.

Das daraufhin gestaltete „Infoteam 2.0“ wurde bisher dreimal durchgeführt. Gemessen an den (nicht ganz smarten) Zielen mit Erfolg, allerdings mit schwankender Beteiligung.

Eine Kleingruppe aus Abteilungsleiter*innen hat folgendes Muster entwickelt:

  • Die Abteilungen bereiten reihum die Veranstaltung vor und laden ein.
  • Begrüßung und „die Geschäftsführung informiert“ über Strategien, gewonnene und verlorene Ausschreibungen, die grobe finanzielle Entwicklung, Neueinstellungen und Themen aus der „Leitungsrunde“ von Geschäftsführung und Abteilungsleitungen. Das dauert 15- max. 30 Minuten.
  • Aktivitäts- und Austauschphase: die beteiligten Mitarbeitenden werden (körperlich und gedanklich) aktiviert! Zum Beispiel bilden sie nach dem Zufallsprinzip kleine Gruppen, die jeweils zwei bis maximal vier Stationen durchlaufen. Dort erledigen sie gemeinsam eine Aufgabe. Eine „Aufgabe“ kann auch sein: Glühwein oder Kaffee trinken.
  • Abschluss im Plenum: Verabschiedung, evtl. Hinweis auf eine Dokumentation, den neuen Termin und dass die Abteilung X das nächste Treffen vorbereitet.

Was nicht explizit beabsichtigt war, aber eine sehr erfreuliche Wirkung der Veranstaltung ist: Die Mitarbeitenden der ausrichtenden Abteilung lernen sich im Zuge der Vorbereitung besser kennen, bringen Persönliches ein, erzählen von Hobbys und besonderen Fähigkeiten. Das stärkt den Zusammenhalt.

Um den Charakter der Veranstaltung zu illustrieren, hier Beispiele für Aktivitäten im Mittelteil.

  • Eine Kleingruppe aus zwei oder drei Personen bekommt die Aufgabe, sich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen:
    – Was verbindest Du Positives mit Deinem Beruf?
    – Was ist Dir in der letzten Zeit gut gelungen, hat Dir Spaß gemacht?
    – An welche Unterstützung, die Du erhalten hast, erinnerst Du Dich noch gut?
  • Eine Kleingruppe aus 3-4 Personen kann auf einem Flipchart Ideen für die Gestaltung des neuen Pausenraumes notieren oder skizzieren.
  • Eine Kleingruppe aus 3-4 Personen zieht aus einer Box vier Substantive und erzählt eine Weihnachtsgeschichte, in denen diese Substantive vorkommen. Die Geschichte wird notiert, die nächste Gruppe knüpft daran an.
  • Fotos von Personen mit Weihnachtsaccessoires.
  • Die Gruppe singt ein Lied, auf das sie sich geeinigt hat – ohne Handys für den Text zu nutzen. Oder, weihnachtlich: die vorbereitende Abteilung hat „Feliz Navidat“ eingeübt und singt das Lied mit der jeweiligen Gruppe (begleitet von Gitarre und Kachon).

Das Zwischenfazit des Unternehmens nach drei Veranstaltungen lautet: Das Prinzip ist gut und wirkt, wir bleiben dabei und versuchen daraus eine (lieb gewordene!) Routine im Unternehmen zu machen.

Andreas Rauchfuß, 11. Dezember 2022