Ideen für die Praxis

Mein Patenkind (Jahrgang 2001) hat sich selbst innerhalb von zwölf Monaten das Gitarrespielen beigebracht – bühnenreif und ausschließlich durch YouTube Tutorials. Im privaten Bereich und bei jungen Menschen ist E-Learning in den Alltag integriert, es gehört zur Kultur. Dagegen befinden sich die meisten Betriebe in einer Experimentierphase. E-Learning hat noch einen Exotenstatus.

Angeregt durch einen Vortrag von Axel Schön, Lebenshilfe Dortmund, im Rahmen des Fachtages Sozialmanagement der Fachhochschule Münster habe ich mich mit sechs Geschäftsführenden aus Unternehmen der Sozialwirtschaft über ihre Erfahrungen mit E-Learning ausgetauscht. Hier das Fazit.

Was kann E-Learning bewirken?

  • Für manche Mitarbeitende ist die Schwelle zu groß, an einer Fortbildung an einem anderen Ort, mit Anfahrt und gegebenenfalls sogar Übernachtung teilzunehmen. E-Learning kann die Schwelle zur Teilnahme an Fortbildungen senken oder zumindest Teile einer externen Fortbildung ersetzen.
  • E-Learning kann bei gesetzlich notwendigen Unterweisungen, zum Beispiel im Bereich der Pflege, eine aufwändige Einweisung durch eigene Mitarbeitende oder das „Durchgehen von Ordnern“ ersetzen bzw. unterstützen.
  • Bestimmte Lernfelder (Excel-Anwendungen, Datenschutz …) eignen sich, um Wissen und konkrete Anwendung zu vertiefen. Lernerfolge und Lernnutzen stellen sich schnell ein, Lernen beginnt Spaß zu machen.
  • Stichwort Arbeitgeberattraktivität: Vielleicht sind Erfolgsgeschichten über E-Learning im eigenen Unternehmen für potentielle Mitarbeitende und die eigene (junge?) Belegschaft genauso wichtig wie flexible Arbeitszeiten und ein guter Kaffeeautomat in der attraktiven Pausenecke.

Anwendungsbeispiele, Ideen und Tipps aus der Praxis

  • Unterweisungen per Video, die selbst erstellt oder aus dem Netz gezogen werden, eignen sich zum Beispiel für die Bereiche Arbeitssicherheit, Datenschutz, Qualitätsmanagement, Aktenführung etc.
  • Lehrvideos: Berufsgenossenschaften bieten eine große Anzahl von E-Learning-Materialien. Hier ein Beispiel: Bevor es knallt! Gewaltprävention in der Ausbildung.
  • Lehrvideos findet man auch bei LinkedIn. https://de.linkedin.com/
  • Um Lernen, Austausch und Entwicklung im Unternehmen zu unterstützen, können Video- und Telefonkonferenzen von Mitarbeitenden an verschiedenen Standorten ein gutes Hilfsmittel sein. Für gemeinnützige Einrichtungen bietet Meetgreen kostenlose Telefonkonferenzen an. meetgreen.de
  • Selbsterstellte Videos können in die Wissensdatenbank eingestellt werden. Es können konkrete Vorgehensweisen vorgestellt, die Inhalte von besuchten Seminaren wiedergegeben oder Erfolgsgeschichten in Bezug auf Kunden oder Klienten dargestellt werden.
  • Videobotschaften von Leitungskräften sind bisher großen Betrieben und der Bundeskanzlerin vorbehalten. Es gibt erste Führungskräfte in kleineren Betrieben, die monatlich eine kurze Ansprache bis max. 2 Minuten per Video den Mitarbeitenden zur Verfügung stellen. 2 der 6 befragten Geschäftsführenden praktizieren das – mit unterschiedlichen Erfahrungen. Manche Mitarbeitende finden es gut, kurz und knapp über Wichtiges im Unternehmen informiert zu werden, andere schauen sich die Botschaften nicht mehr an.
  • Sogenannte webinare von unterschiedlichen Anbietern bieten die Möglichkeit zu interaktivem Lernen. Zu den Themen Führung oder Organisationsentwicklung bietet mwonline von Zeit zu Zeit webinare an: https://managementwissenonline.de/kategorie/webinare
  • Lernen, z.B. in herkömmlichen Seminaren oder Fortbildungen, kann auch durch digitale Elemente, wie z.B. Online-Befragungen unterstützt werden. Möglichkeiten sind:
    • Offene Fragen: „Welche Themen sollen wir bei der Klausur bearbeiten?“
    • Ranking: „Welche drei Themen sind Ihnen am wichtigsten?“
    • Zufriedenheit: „Wie zufrieden waren Sie mit der Klausur?“
    • Inhaltliche Orientierung: „Nennen Sie drei Begriffe, die Sie mit „Kundenorientierung“ verbinden.“

Kahoot und Mentimeter sind Tools, die z.B. innerhalb von Fortbildungen oder Sitzungen zur Abfrage eingesetzt werden können. Sie visualisieren sofort die Ergebnisse. (HIER eine Beschreibung der Tools: https://grundschul-blog.de/tools-fuer-interaktion-kommunikation-im-unterricht/

Wie sollte E-Learning organisiert sein?

Die Vorstellung, von jedem Arbeitsplatz aus „mal schnell“ aus der Weite des Netzes ein Lernvideo herunterzuladen, kollidiert mit dem, was Netzwerkadministratoren für die Datensicherheit für notwendig erachten. Deshalb kann es zunächst sinnvoll sein, pro Etage oder pro Standort einen Arbeitsplatz einzurichten, von dem aus E-Learning in einem sicheren, zugelassenen Rahmen betrieben werden kann.

Neben der technischen Organisation ist noch die soziale zu beachten. Dazu wiesen die befragten Geschäftsführenden auf folgende Aspekte hin:

  • Die Geschäftsleitung sollte eine gute Balance finden zwischen Freiwilligkeit und der Pflicht, Angebote mindestens auszuprobieren.
  • Manche Menschen lernen gerne in Gruppen, manche lieber allein. Beides sollte möglich sein.
  • Was bei anderen Änderungsvorhaben gilt, gilt auch hier: Leitung nutzt und erprobt selbst die Möglichkeiten digitalen Lernens und bringt das Thema immer wieder „in die Kommunikation“.

Welche bekannten Herausforderungen muss auch E-Learning meistern?

  • Etwas, was für sinnvoll erachtet wird, wird nicht getan oder genutzt: Wer schon einmal Maßnahmen in Betrieben implementiert hat, die keinen direkten und sofortigen Nutzen für die konkrete Arbeit der Mitarbeitenden haben, weiß, wie groß die Lücke ist zwischen dem, was gut wäre zu tun und dem, was getan wird. Wissensmanagement, Fortbildungen und Angebote zur Gesunderhaltung sind keine Selbstläufer. Bei entsprechenden Befragungen von Mitarbeitenden wird der Zugang zu Informationen, werden interessante Fortbildungen und firmeninterne Yogakurse gefordert. Werden die erwünschten Maßnahmen umgesetzt, pendeln sich nach einer Anfangseuphorie Teilnahme und Nutzung auf einem sehr niedrigen Niveau ein.
  • Qualifizierungsbedarf wird in den meisten Betrieben nicht systematisch erhoben: Egal ob digital oder analog gelernt wird – es sollte in geeigneter Weise der Qualifizierungsbedarf einzelner Mitarbeitender bzw. der von Teams oder Abteilungen erhoben werden. Anforderungen, Erwartungen und Wünsche von Mitarbeitenden und von Leitung müssen zusammengebracht werden. „An welcher Fortbildung möchten Sie im nächsten Jahr teilnehmen?“ als Frage im Mitarbeitergespräch reicht nicht.
  • Fortbildungen mit kommunikativen, weichen Inhalten werden nicht von denen genutzt, die am meisten lernen könnten: Einige Mitarbeitende sind an hard-fact-Fortbildungen, in denen es um Wissensvermittlung geht, durchaus interessiert, während sie um Fortbildungen, in denen es (auch) um das Reflektieren eigener Verhaltensweisen geht, einen großen Bogen machen. Oder mit den Worten einer Personalleiterin: „Freiwillig gehen zur Führungskräftefortbildung nur die, die es am wenigsten brauchen.“

Für diese Herausforderungen gibt es keine einfachen Lösungen. Um bei der Einführung von E-Learning zuversichtlich zu bleiben, kann es helfen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen: Wo und wie ist es uns in der Vergangenheit schon gelungen, einen kleinen Schritt in die richtige Richtung zu tun?

Welche Inhalte eignen sich für E-Learning?

Die Berichte der Geschäftsführenden sprechen für die These, dass sich vor allem Fakten, Wissen und konkrete Vorgehensweisen eignen und dass sich Reflektieren und Themen, bei denen auch eigene Gefühle und Haltungen eine Rolle spielen, (bisher) nicht für E-Learning eignen.

Deshalb kann es momentan zunächst hilfreich sein zu erproben, wie E-Learning genutzt werden kann, um prozesshaftes und reflektierendes Lernen zu ermöglichen oder zu unterstützen. Beispiel: Bevor man in einer Teamsitzung das Thema „Gewaltprävention in der Ausbildung“ bespricht, schauen sich Mitarbeitende einzeln oder in Kleingruppen ein Video zur Einführung in das Thema an.

Fazit

Es gibt jede Menge gute Möglichkeiten, E-Learning im Betrieb zu nutzen – und es bedarf eines guten Konzeptes und guter Erfolgsgeschichten, um E-Learning in die Kommunikationskultur von Unternehmen zu integrieren.

Weiterführende Links

  1. Fachtag Sozialmanagement am 28.11.2019: Gewinnen, Halten und (gut) gehen lassen – Anforderungen an ein reflektiertes Personalmanagement in Zeiten des Fachkräftemangels: https://www.fh-muenster.de/sw/studiengaenge/fachtag_sozialmanagement.php