Agile Werte bewegen Systeme

Konnotiere ich ein Jahr Verzicht, Einschränkung, Mehrfachbelastung und Sorge, so sehe ich ebenso die Chance Dinge zu verändern, Herausforderungen anzunehmen, Möglichkeiten zu erkennen und Fortschritt zuzulassen – denn systemisch kommt etwas in Bewegung.

In diesem Jahr ging es nicht darum, ob etwas zu schaffen ist, sondern um das wie, was und welche.

  • Wie erfüllen wir die an uns gestellten Anforderungen?
  • Welche Ressourcen müssen dafür aktiviert werden – sachlich und emotional?
  • Wer oder was kann uns dabei unterstützen?

So entsteht innerhalb einer Krise die Chance Dinge zu verändern, Ressourcen zu aktivieren, Fachgruppen zu gründen und starre Unternehmenshierarchien aufzubrechen.

Also die Idee, Herausforderungen danach zu bewerten, welche Möglichkeiten der Weiterentwicklung oder Lösungen sie enthalten.

Äußere „Feinde“ und Existenzdruck sind erprobte und bekannte Mittel, um Veränderungen herbeizuführen bzw. durchzusetzen. Mit der Dauer der Nutzung nimmt ihre Wirkung allerdings ab.

In den letzten Jahren wurden durch „agil“ arbeitende Unternehmen neue Methoden angewandt und diskutiert, um die Arbeit in Organisationen zu verbessern. In der Literatur findet man hierzu unterschiedliche „Werte“-Sammlungen.
Ein den Agilen Werten zu Grunde liegende Modell, beschreibt der US-Autor Patrick Lencioni als die „5 Dysfunktionen eines Teams“. Dies besagt, dass ein schlecht zusammenarbeitendes Team in der Regel 5 Dysfunktionen hervorbringt.

Im Abbild einer Pyramide sind diese (von unten nach oben):

  • Fehlendes Vertrauen
  • Angst vor Konflikten
  • Fehlendes Engagement
  • Fehlende Verantwortung
  • Fehlende Ergebnisorientierung

Hieraus entstand ein Wertegedanke, welcher der systemischen Haltung sehr entgegenkommt. Raus aus der Dysfunktionalität, hinein in die Lösungsorientierung.

Die folgende Darstellung – in Anlehnung an die Interpretation von Sven Röpstroff und Robert Wiechmann (Agile Coachs) – gefällt mir besonders gut, sie zeigt die Werte in einem Wirkungskreislauf.

Agile Wer

Wie lässt sich also der Umgang mit sich schnell verändernden Situationen anhand dieses Modells gestalten?

Systemisch betrachtet gelingt dies u.a. mit der grundlegenden Hinterfragung der eigenen Unternehmenswerte unter Einbezug des agilen Wertesystems:

  • Fokus: Wie gelingt es uns den Fokus auf das Wesentliche zu richten und Störungen möglichst fernzuhalten? Welches anwendungsorientierte Wissen kann mich dabei unterstützen?
  • Offenheit: Wie ermöglichen wir unseren Mitarbeiter*innen einen wert- und angstfreien und offenen Umgang miteinander zu leben?
  • Wertschätzung: Was unternehmen wir um den Mitarbeitern ausreichend Wertschätzung und Anerkennung entgegenzubringen und dies als Wert zu implementieren?
  • Mut: Wie erzeugen und transportieren wir den Mut, Ideen abzulehnen die nicht umsetzbar erscheinen und die Wertschätzung gegenüber der Person/Idee aufrecht zu erhalten?
  • Einfachheit: Welche Instrumente nutzen wir um Lösungen nicht zu verkomplizieren?
  • Kommunikation: Wie weit öffnen wir die hierarchischen Schranken, um die Kommunikation unter den Teams in alle Richtungen zu ermöglichen? Welche Regeln benötigt dies?
  • Feedback: Wie gelingt es uns eine offene Feedbackkultur zu integrieren, welche viel Raum für Weiterentwicklung bietet?
  • Commitment: Was benötigen wir für ein starkes Miteinander, welches die Teamziele über die individuellen Ziele der einzelnen Mitarbeitenden stellt?

Schaut man auf den Nutzen aktiver oder durchlebter Krisen, so entstehen neue Strukturen, welche anschließend auf ihre generische Verwendbarkeit überprüft werden sollten.

Auch wenn in der agilen Welt „Führung“ keinen hohen Stellenwert genießt, ist das Führen durch fokussieren der Aufmerksamkeit der Mitarbeitenden eines der systemischen Führungsprinzipien. Bei der Einführung agiler Werte geht es nicht darum, die „alten“ Werte über Bord zu werfen oder alle Hierarchieebenen abzuschaffen. Systemisch betrachtet geht es hier vielmehr um eine Nutzung (Dosierung), die den Unternehmenserfolg stützt.

Aus der Reflexion meines eigenen Krisen- und Veränderungsmanagements im letzten Jahr, begleiteten mich vor allem die drei agile Werte Fokus, Einfachheit und Commitment.

Wir mussten und haben im letzten Jahr den Fokus immer wieder neu ausgerichtet. Starteten wir mit einem dynamischen Notfallplan, überprüfen wir mittleiweile seine generelle Anwendbarkeit im Übergang zur beruflichen Normalität.
Im Sinne der Einfachheit nutzen wir die gemachten Erfahrungen, um spontan entstandene neue Strukturen für die Dauerstruktur zu nutzen. Das „einfach“ bedeutet in diesem Fall, Verfahren und Methoden anzuwenden, ohne diverse Arbeitsgruppen über das wie und ob diskutieren zu lassen. Konkret betrifft das kurze Online-Meetings, die Möglichkeit zum Homeoffice und teamübergreifende Arbeitsgruppen.

Aus jedem Chaos entsteht eine neue Ordnung. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich dies generell sagen lässt und daher in jeder Krise auch eine Chance steckt.

Meine Chance sehe ich in der gemeinschaftlichen Arbeit an einem geteilten Werteverständnis (Commitment), welches auch nach der Krise Mitarbeiter*innen befähigt selbstständig zu handeln und das System mitzugestalten.
Gemeinsame Werte geben Orientierung und Sicherheit und bilden das Fundament guter Zusammenarbeit. Denn ein funktionierendes Team ist ein wesentlicher Garant für den Unternehmenserfolg.

Britta Sabel

(Dipl. Sozialpädagogin /-arbeiterin; Systemische Beraterin DGSF; Supervisorin, Coach und Organsiationsentwicklerin DGSv i.W.; arbeitet als Abteilungsleiterin bei einem Bildungsträger und führt als freiberufliche Referentin Seminare für Move durch.)