In unregelmäßigen Abständen tauchen immer wieder neue Untersuchungen mit ähnlichen Ergebnissen auf: Mitarbeitende geben bei Befragungen an, dass ihre Leistung zu wenig anerkannt und sie selbst zu wenig gelobt werden. Nur 20 % meinen, dass gute Leistung auch Lob erzeugt. Der aufmerksamen und geneigten Führungskraft könnte die Idee kommen, den Mitarbeitenden in Zukunft mehr Aufmerksamkeit zu „schenken“ und sie öfter zu loben. Denn es wäre auch wirtschaftlich ein lohnendes Geschenk, wie die Studien meist nahe legen (siehe dazu unten die Info-Box). Aber nein, die deutsche Führungskraft ist uneinsichtig und so wird es auch in 2013 wieder entsprechende Meldungen über fehlendes Lob geben. Warum?

Es wird gelobt, aber keiner merkt es (sich)

Als Beobachter durfte ich an einigen Mitarbeitergesprächen teilnehmen. Die Befragung der Mitarbeitenden nach den Gesprächen ergab, dass sich die meisten wesentlich besser und detaillierter an geäußerte Kritik erinnern konnten, als an das geäußerte Lob. Zwei Hypothesen dazu:

–          Mitarbeitende übertragen Beobachtungen aus dem Arbeitsalltag auf das Mitarbeitergespräch: Letztlich geht es im Betrieb darum, wenig Fehler zu machen und nicht kritisiert zu werden. Herrscht im Betrieb diese Kultur vor, ist es lohnenswerter, sich Kritik zu merken als das Lob. Das bedeutet, dass es langer und aufrichtiger Lob-Arbeit bedarf, bis sich eine neue Kultur etabliert.

–          Das Annehmen und Geben von Lob ist schwierig. Wenn die Reaktion auf ein Lob Schweigen oder „Das gehört doch zu meinen Aufgaben, ist doch klar, dass ich das mache!“ ist, wird beim nächsten Mal weniger gelobt. Das Tauschgeschäft zwischen Lobendem und Gelobten scheint gestört: Ich schenke Dir meine Aufmerksamkeit und dir bedeutet es nichts, Du bedankst dich nicht!

Tipp für Mitarbeitergespräche: Am Ende kann die Leitung fragen „Wir haben fast 30 Minuten zusammengesessen und uns über Ihre Arbeit unterhalten. Was ist bei Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?“ So besteht die Möglichkeit, vergessenes Lob wieder ins Gespräch zu bringen.

Manipulationsverdacht

Beide, Leitung und Mitarbeitende, sind Lob gegenüber argwöhnisch und hegen den generellen Verdacht der Manipulation: Gedanken wie „Die lobt mich nur, weil …“ oder „Da will jemand unbedingt gelobt werden, da spiel ich nicht mit.“ spiegeln diese Vorsicht wider.

Zu persönlich, zu sozial, zu konkret

„Na, auch mal wieder hier?!“ begrüßt der Chefarzt die OP-Schwester nach ihrem 6-tägigen Weihnachtsurlaub. Da er meint, bei dieser Aussage gelächelt zu haben, glaubt er auch daran, klar kommuniziert zu haben: Ich habe meine Freude über ihr Wiedererscheinen ausgedrückt und habe sie damit ja auch gelobt. Je nach Stimmungslage entscheidet sich die OP-Schwester für ihre Deutung: „Das war ein westfälische Äußerung der Zuneigung!“ oder gerne auch „Immer bekomme ich einen drüber!“.  Das Fatale: beide Seiten gewöhnen sich an diese unpräzise und unpersönliche Kommunikation. Es dreht sich ja nur um „das Soziale“. Auf der fachlichen Ebene würde eine OP-Schwester mangelhaftes oder fehlendes Material beklagen und besseres einfordern. Auf der sozial-persönlichen Ebene geschieht das in den seltensten Fällen. Nur wenige Mitarbeitende gehen zu ihren Vorgesetzten und bitten sie um eine konkrete Rückmeldung. Für die OP-Schwester birgt eine präzise Rückmeldung durch den Vorgesetzten auch eine gewisse Gefahr. Bisher hatte sie die Deutungshoheit darüber, wie der Chef oder die Chefin ihre Arbeit einschätzt. Eine präzise, professionelle Rückmeldung würde Sicherheit, aber möglicherweise auch Enttäuschung bieten.

Als potentieller Patient bin ich natürlich zunächst froh darüber, wenn nur die Kommunikation und nicht der Schnitt unpräzise ist. Zu wissen, dass die Zusammenarbeit im Operationsteam gut funktioniert und die Handelnden nicht durch ungeklärte Konflikte belastet sind, wäre für mich als Patient zusätzlich beruhigend.

Professionelles Feedback erfordert Übung

„Lob tut gut!“ ist etwas zu undifferenziert. Lob ist und wirkt unterschiedlich. „Klasse gemacht, weiter so!“ gehört in die Kategorie Beziehungslob. Der oder die Lobende will die Beziehung zum Mitarbeitenden stärken und möglicherweise für zusätzliche Motivation sorgen – oder hat sich vielleicht auch einfach nur gefreut. Das Lob hilft zur Stärkung der Beziehung, es vermittelt generell Anerkennung. Im professionellen Kontext sollte man einen Schritt weitergehen, man sollte ein „kundiges Lob“ aussprechen. Das kundige Lob basiert auf Kenntnis bzw. auf Erkundung. Der oder die Lobende hat die Mitarbeitende bei der Arbeit beobachtet, oder wie es in einem Klassiker der Managementliteratur, „Der MinutenManager“ (Kenneth Blanchard) heißt: Vorgesetzte müssen ihre Mitarbeitenden dabei erwischen, wenn sie etwas gut machen! Ein professionelles Lob oder Feedback setzt also Beobachtung und die Fähigkeit voraus, das Beobachtete entsprechend beschreiben zu können. Gut gemeinte Feedbacks verlieren an Wirkung, wenn sie unpräzise sind: „Das haben Sie gut gemacht!“. Als kundiges Feedback würde es sich in etwa wie folgt anhören: „Sie haben sich als erstes erkundigt, wer im Team schon am gleichen Thema gearbeitet hat. Sie haben das Material zusammengestellt und geordnet und sich einen präzisen Arbeitsplan erstellt ….“ Die Mitarbeitenden erfahren dadurch, dass ihre Arbeit wahrgenommen wird, dass jemand sich damit auseinandersetzt und sich die Mühe macht, es im Detail zu beschreiben. Das wird als Anerkennung oder Wertschätzung wahrgenommen. Dieses beschreibende, kundige Feedback zu formulieren, fällt vielen Führungskräften zunächst schwer. Es erfordert Übung. Genügend Mitarbeitende warten darauf.

PS: Aktuell hat sich bei „MWonline“ eine interessante Diskussion zum Thema „Motivieren“ entwickelt. Am 3. und 11. Februar hat der Chefredakteur Johannes Thönneßen appelliert: „Hört auf zu motivieren“. Nachzulesen unter: http://mwonlineblog.blogspot.de/

Andreas Rauchfuß, rauchfuss@move-muenster.de

Info: Der Gallup Engagement Index

Das Gallup Institut führt seit 2001 jährlich Befragungen zum „Engagement Index“ durch. Das Institut stellt fest, dass ca. 90 % der Angestellten in Deutschland mit ihrer Arbeit zufrieden sind und ca. 60 % ihre Vergütung angemessen im Verhältnis zu ihrer Leistung empfinden. Das bedeutet, dass die Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses von der Mehrheit als positiv eingeschätzt werden. Problematischer werden die Ergebnisse, wenn es um die „emotionale Gebundenheit“ von Mitarbeitenden geht. Für ca. 14 % ergibt sich eine hohe emotionale Gebundenheit, bei 63 % wird sie als gering eingeschätzt und 23 % haben keine emotionale Bindung zum Unternehmen. Gallup macht die emotionale Gebundenheit daran fest, wie Mitarbeitende ihre grundsätzlichen Rahmenbedingungen einschätzen, welche Unterstützung sie erfahren, wie sie die Teamarbeit empfinden und ob sie sich in ihrem Beruf entwickeln können. Gallup hat auch herausgefunden, dass eine hohe emotionale Bindung der Mitarbeitenden finanzielle Vorteile für das Unternehmen mit sich bringt. Diese Gruppe der Mitarbeitenden ist seltener krank, bleibt dem Betrieb länger erhalten, liefert bessere Qualität und Kundenkennzahlen. Und was mangelndes Engagement kostet hat Gallup auch berechnet: „Die volkswirtschaftlichen Kosten aufgrund von innerer Kündigung belaufen sich auf eine Summe zwischen 122,3 und 124,0 Milliarden Euro jährlich.“